Kollektivstrafen in Trier
Das arbiträre Verhalten der Behörden hat System
Das arbiträre Verhalten von staatlichen Institutionen gegenüber Refugees ist ein häufig auftretendes Phänomen. Dieses Vorgehen ist zwar klar rechtswidrig, wird jedoch von übergeordneten Behörden kaum geahndet. In Trier kam es im Frühjahr 2015 zu solch einem Fall von behördlicher Willkür. Der Leiter der A-Lux ließ Refugees auf ihr Taschengeld warten. Dabei handelte es sich nicht um einen „bedauerlichen Einzelfall“. Die Rechte von Refugees werden von Behörden nach wie vor nicht ernst genommen und untergraben, sei es durch Einzel- oder Kollektivstrafen.
Anfang März 2015 trat ein ehemaliger Bewohner der A-Lux mit einer Beschwerde an uns heran, ihm und allen Bewohner*innen des A- und B-Gebäudes der A-Lux sei kein Taschengeld ausgezahlt worden. Die Leitung der A-Lux habe die Sperrung des Taschengeldes angeordnet, weil zuvor mehrmals der Feueralarm im Heim ausgelöst worden sei. Die sogenannte „Androhung“ welche als Aushang veröffentlicht wurde, lag uns als Fotografie vor. Die in der Fotografie verwendete Formulierung lässt nichts von einer Androhung erahnen. Es handelt sich um eine tatsächliche Sperre des Taschengeldes und damit um einem klaren Verstoß gegen geltendes Recht. Selbstverständlich bedeutete das Wegbleiben dieser Zahlung eine immense Belastung für die Betroffenen. Im Folgenden soll nicht behandelt werden, welche Beweggründe für das Auslösen des Feueralarms bestanden. Es mag sich um ein Versehen, einen Streich oder einen Hilfeschrei gehandelt haben. Wir konzentrieren uns hier auf die Reaktion der Behörden, den kollektiven Entzug einer Winzigkeit von materieller Grundlage.
Androhung, Kürzung und Aufschub
Nach der Publikation des Vorfalles in vor allem lokalen Medien ließen die Reaktionen seitens der AfA-Leitung und der ADD, sowie des MIKFJK unter der Ministerin Irene Alt (Grüne), viele Fragen offen. Der erste Artikel, der sich mit dieser Thematik befasste, erschien am 12. März 2015 in der Onlinezeitung lokalo.de. Der Autor beschreibt die Reaktion der AfA-Leitung auf seine Fragen als sehr zögerlich. Als Auskunft habe er erhalten, „man habe die Streichung wieder rückgängig gemacht, dann aber hieß es auf einmal: Ja, das machen wir manchmal so, weil wir sonst der Lage nicht Herr werden.“ Daraus gehen zwei Informationen hervor. Zum einen handelte es sich bei der Kollektivstrafe nicht um einen Einzelfall: Sie machen das manchmal so. So ist das eben. Zum anderen ist die Rede von einem Rückgängig-Machen der Streichung. Es handelte sich bei der Sperre der Auszahlung also nicht nur um eine Androhung.
Der Aussage der AfA-Leitung widersprach Miriam Lange, Pressesprecherin der ADD. Gegenüber dem Onlinejournal Trier Reporter betont sie, es habe sich nur um eine Androhung gehandelt. Nach Miriam Langes Auskunft sei die AfA-Leitung in der Dasbachstraße ähnlich wie die Leitung der A-Lux verfahren. Auch dort sei „immer wieder mutwillig Feueralarm ausgelöst worden“. Die Androhung der Taschengeldsperre soll laut Lange für eine „soziale Kontrolle der Bewohner untereinander“ sorgen. Die juristisch unrechtmäßige Androhung der Taschengeldsperre kam also mehrfach als Maßnahme in beiden Einrichtungen in Trier zur Anwendung; und zwar mit Zustimmung der ADD. Faktisch bedeutet „soziale Kontrolle“ nichts anderes als Angst vor Denunziantentum. Das ist nicht menschenwürdig und baut weitere Spannungen unter den Bewohner*innen auf.
Ein weiterer Blick auf Miriam Langes konkrete Formulierung lohnt sich: Bisher sei noch „kein Cent“ einbehalten worden. Später ist uns von Seiten der A-Lux-Leitung gesagt worden, dass die Taschengeldausgabe schlicht verzögert worden ist. So ist zwar tatsächlich der jeweils vorgeschriebene Betrag bei den Refugees angekommen, jedoch um eine oder mehrere Wochen verspätet. Somit handelt es sich weder um eine leere Drohung noch eine um vollständige Umsetzung der Drohung. Konkret versetzt ein Aufschub die Betroffenen aber in dieselbe prekäre Lage. Als wäre ihre Lage nicht schon prekär genug. Obendrein blieb ein eindeutiger Beweis seitens der ADD, dass der vollständige Betrag immer ausgezahlt wurde, aus.
Beweis bleibt aus
Aus Protest und um den Beweis bemüht, dass die Gelder ausgezahlt wurden, verfassten wir in der Folge einen Offenen Brief an Ministerin Irene Alt und ihr MIFKJF. In der Antwort vom 4. Mai erklärte man uns, die Androhung sei vor dem Hintergrund der Falschalarme getätigt worden, doch „Da es zu keinen weiteren Fehlalarmen kam, wurde tatsächlich niemandem das Taschengeld entzogen.“ Der Umkehrschluss legt nahe, dass Taschengelder entzogen worden wären, hätte es weitere Falschalarme gegeben.
Auf die Frage, wie oft keine Gelder an Refugees ausgezahlt wurden, gab das MIFKJF nur einen Vorfall an: „Die Außenstelle hatte im Dezember 2014 die Androhung, dass Taschengeld einzubehalten, herausgegeben. Bis zur Rücknahme dieser Androhung vergingen rund sieben Tage.“
Dass diese „rund sieben Tagen“ den Zeitraum bis zum nächsten Auszahlungszeitpunkt darstellen und auch für diese Auszahlung kein Beweis geliefert wurde, lässt uns auch an dieser Version zweifeln. Dass es sich nicht um bloß einen zusätzlichen Zwischenfall, sondern um mindestens zwei handelt, lässt sich aus dem Interview mit Frau Miriam Lange rekonstruieren. Somit hat es sich, soviel ist sicher, nicht „um einen bedauerlichen Einzelfall gehandelt“. Die Berufung auf eine verzerrte Form von Notwehr ist eine Farce auf Kosten der Betroffenen. Es steht zweifelsfrei fest, dass eine klare Kompetenzüberschreitung stattfand.
Wir verurteilen Androhungen der Taschengeldsperre sowie Verzögerungen der Auszahlung. Die widersprüchlichen Versionen der Vorkommnisse, die offensichtlich nicht standfesten Antworten auf unsere Fragen, sowie die letztendlich fehlenden Beweise lassen uns immer noch an der Version der bloßen „Androhung“ zweifeln. Wir fordern deswegen, dass uns endgültige und nachvollziehbare Beweise vorgelegt werden und eine neue Aufarbeitung durch das MIFKJF stattfindet, anstelle von Beschwichtigung.
Wie wir im Nachhinein vom Leiter der A-Lux erfahren haben, ist ihm vom Ministerium verboten worden, weiter von seiner zweifelhaften Maßnahme Gebrauch zu machen. Dadurch ist aber nur diese eine Form von behördlichem Missbrauch gegenüber Refugees einigermaßen gebannt. Wir fordern deshalb die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle, damit derartige Vorfälle effektiver wahrgenommen und bearbeitet werden können.
Jules Tüscher
Multikulturelles Zentrum Trier e.V.